Bericht unseres Mannschaftsleiters Atila Figura:
In der Schlussrunde der gelinde formuliert chaotisch verlaufenen Corona-Saison der BMM 2021/2022 sah sich unsere zweite Mannschaft mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert. Wir durften gegen den Aufstiegsaspiranten Weisse Dame 1 antreten, die hochmotiviert und durch Kevin Högy durch die Saison hindurch verstärkt antrat.
Eine Niederlage würde den wahrscheinlichen Abstieg bedeuten. Einzig die Brettpunkte könnten unter gewissen Bedingungen noch den Klassenerhalt bedeuten. Ursache für diese Lage war allen voran der vorangegangene Kampf gegen Nord-Ost Berlin, der am Brett mit 5:3 gewonnen, jedoch am grünen Tisch mit 3,5:4,5 für den Gegner gewertet wurde. Grund war die zweimalige Mehrfachbesetzung von unserem engagierten Mitglied Jürgen Brustkern, der das zweite Mal am Samstag in der 1. Mannschaft aushalf und zugleich in der Folgerunde für die 2. Mannschaft spielte. Für die aktuelle Saison wurde der einmalige Einsatz der Mehrfachbesetzung genehmigt. Das zweite Mal wurde uns daher zum Verhängnis und sorgte für die Niederlage.
Je nach Ausgang des Matches gegen Weisse Dame 1 wären daher unsere Juristen zum Zuge gekommen....
Nach dieser unsanften Vorgeschichte nun zum direkten Kampf am abschließenden Spieltag am 10.7.:
Wie schon in den Vorrunden war es auch dieses Mal nicht möglich, das volle Potenzial der zweiten Mannschaft auszuschöpfen. So haben wir uns nach mehrfacher Diskussion auch entschieden, die dritte Mannschaft zurück zu ziehen, statt mit Kindern anzutreten. Denn wenn mehr als die Hälfte der aufgestellten Spieler plötzlich gar nicht können, wollen, nicht hierzulande sind, so wird es schwierig angemessen und mit einem Gefühl des Mannschaftszusammenhalts anzutreten.
Durch diese Umstände geprägt, wurden die folgenden Paarungen verlautet:
1. Atila Gajo Figura (s) gegen Hendrik Möller
2. Jürgen Brustkern (w) gegen Kevin Högy
3. Peter Rahls (s) gegen Hans-Joachim Waldmann
4. Markus Penner (w) gegen Ingo Abraham
5. Thomas Heerde (s) gegen Michael Kyritz
6. Truong-Son Nguyen Luu (w) gegen Heinz Uhl
7. Michael Große (s) gegen Martin Kaiser
8. Mirza Hasic (w) gegen Thorsten Große
Rein nominell sah es ab Brett 3 gefühlt nach einer Mammutaufgabe aus, zumal mir als Mannschaftsleiter zum dritten Mal in der Saison ein Aufstellungsfehler in der versandten E-Mail unterlief... und genau dieser dritte Kampf ging schlussendlich positiv aus. Ein Omen? Dennoch sollte das nicht sein und ist ein Zeichen dafür, dass ich gewiss nicht die Mannschaftsleitung in der nächsten Saison übernehmen werde...
Beim ersten Herumlaufen fühlte es sich tatsächlich noch recht lebendig an:
An meinem Brett kam ich ohne Vorbereitung mit einem meiner älteren Repertoireideen ohne Probleme aus der Eröffnung. Jürgen war für Kevin ein harter Brocken, weshalb ein Remisangebot ausgesprochen wurde, welches bei vollem Brett natürlich abgelehnt werden musste. Trotz der recht symmetrischen Bauernstruktur hatte Jürgen mit seinem Läuferpaar die langfristigen Trümpfe in seiner Hand.
Peter konnte gegen seinen harten Brocken eine kämpferische Stellung annehmen, was eine gesunde Grundlage für einen starken Kampf bedeuten kann. Leider bekam Peter mit diesem Kampf im Übrigen zum x-ten Mal in dieser Saison die schwarzen Steine...
Markus agierte sehr solide, ein wenig zu solide gegen Ingo, sodass das tauschfreudige Verhalten eher zu langfristigen Dauerproblemen führen sollte. Dennoch ist Markus bekannterweise sehr zäh, sodass durchaus noch mit einem halben Punkt zu rechnen war.
Thomas rannte mit vollem Einsatz mit allen Figuren nach vorne, da er unbedingt daran bestrebt war mit hohem Risikopotenzial all-in zu gehen. Diese Strategie wurde tatsächlich auch bei WM-Kämpfen generell vermieden und eher auf lange Kämpfe gesetzt...
Son hatte sich dank meiner genialen Aufmerksamkeit leider auf die falsche Farbe vorbereitet, fand sich jedoch in einer prächtigen Angriffsstellung wieder. Zu Beginn konnte er vom optimistischen Vorgehen seines Gegners profitieren. Das schien zu passen.
Trotz der hohen Differenz der DWZ an 7 und 8 schien auch dies zu harmonieren. Martin Kaiser ist als strategischer Spieler bekannt, sodass dies gut zum Stil von Michael passend war. Denn Michael kann gut und gerne angreifen.... Die Stellung selbst war jedoch durch die Widderstruktur d4 gegen d5 sehr symmetrisch und mit dem Mehrtempo des Gegners galt es zunächst strategisch in dem Dschungel voller Probleme "zu überleben".
Mirza ist als erfindungsreicher Taktiker und Kämpfer bekannt und diese Eigenschaften könnten ebenfalls gegen einen positionell starken, aber taktisch ab und an anfälligen Thorsten Groß funktionieren.
So war mein erster Eindruck nach den Startminuten. Nicht überall positiv, aber das Projekt Brettpunkte sammeln war durchaus noch möglich.
In der nächsten Zeit konnte ich an meinem Brett mehrere kleine Ungenauigkeiten durch Einsatz der aggressiven Prophylaxe und der Schwächenidentifikation einen größeren Vorteil erreichen. An einer kritischen Stelle ließ ich mich von einer taktischen Idee verlocken einer Vereinfachung nachzugehen. Objektiv wäre eine weitere Prophylaxe sinnstiftender gewesen und hätte die halbe positionelle Gewinnstellung festgehalten.
Just at moment unterschätzte mein Gegner einen kleinen Opferangriff, der in eine Königswanderung von h2 bis nach a4 mündete.... Dabei ließ ich mehrere schnellere Wege liegen und verbrauchte Unmengen an Bedenkzeit, um auf Nummer sicher zu gehen. Immerhin schon mal ein Brettpunkt gesichert... Dazu das Omen: stets wenn ich gewann, konnte auch die Mannschaft etwas Zählbares herausspielen....
Nach dem diese Arbeit ihre Erledigung fand, konnte ich wieder ein wenig dem Verlauf des Mannschaftskampfes Folge leisten:
Während Jürgen noch etwas besser stand, sah es an den anderen Brettern düster aus.
Thomas stand positionell vollkommen auf Verlust. Michael hatte einen Minusbauern und dazu gratis strategische Schwächen. Er schien jedoch zu einem Verzweiflungsangriff überzugehen. Markus hatte in der Zwischenzeit nur noch passive Figuren und dazu freundlicherweise die schlechtere Struktur. Mirza kämpfte zu dem Zeitpunkt mit einer gewissen Aktivität gegen einen Minusbauern. Bei Peter konnte die Materialzählung eine Minusqualität als Ergebnis feststellen lassen. Dazu hatte Son zu dem Zeitpunkt seine Gewinnstellung in eine Verluststellung verwandelt... Das waren recht herausfordernde Aufgaben.
Allerdings zeigte der Blick auf die Uhr, dass an nahezu allen Brettern die Zeit knapp wurde... Genau in dieser Phase kamen die Wunder - Schlag auf Schlag. Zunächst legte Michael mit einem plötzlichen Mattangriff nach, nachdem er seinem Gegner einen vergifteten Bauern als Mahl servierte. Der Appetit führte zu einem verlangsamten Denkprozess bei seinem Gegner und damit zu einem Sieg per Zeitüberschreitung! Dazu profitierte Markus in einer nahezu Verluststellung von einer Unachtsamkeit seines Gegners in einem Schwerfigurenendspiel. Gerade diese Endspiele sind prädestiniert für plötzliche Mattangriffe. So gelang es Markus durch einen Angriff mit Turm und Dame gegen f7 einzügig eine nur durch einen Turmverlust vermeidbare Mattdrohung aufzustellen.
Das ist damit der dritte Brettpunkt. Plötzlich schien wieder das Licht am Ende des Tunnels!
Inzwischen wurden dagegen Thomas und Son Opfer ihres forschen, aber mannschaftsdienlichen Vorgehens. Auch Peter konnte den materiellen Verlust nicht mehr aus kompensieren. Zwischenstand: 3:3.
Damit liefen nur noch die Partien von Mirza und Jürgen. Während Jürgen ein gewinnträchtiges Endspiel mit einem Mehrbauern sauber herausgearbeitet hatte, erwies sich die kämpferische Spielweise von Mirza in Kombination mit beiderseitiger Zeitnot als erfolgreich. Aus einer Verluststellung konnte Mirza mit taktischen Mitteln sich in ein Endspiel mit Turm und ungleichen Läufern mit h+g Bauern gegen h+g+e Bauern verteidigen. Einerseits remisträchtig, andererseits kann ein solches Endspiel noch mehrere Stunden geknetet werden. Während dessen muss Jürgen noch beweisen, dass er tatsächlich seinen Mehrbauern verwerten kann.
Letztlich kam von den jeweils in Nachteil befindlicheren Seite eine Remisofferte, um so abzuwägen, ob ein 4:4 für die jeweiligen Ergebnisse ausreichend war.
Ein Blick auf die Live-Übertragung zeigte, dass insbesondere Mattnetz zumindest 4 Brettpunkte sicher hatte, während die gegnerische Mannschaft Berolina maximal ausgleichen könnte. Summa Summarum wären sie hinter uns geblieben.
Für unsere Gäste von der Weissen Dame war hingegen schon von vornherein klar, dass ein 4:4 ausreichen sollte, aber ein Sieg den Aufstieg definitiv garantieren würde.
In diesem Sinne gab es seitens der Mannschaftsleiter den dringenden Rat, das jeweilige Remisangebot anzunehmen. 4:4! Puh! Das Drama hatte damit ein Ende. Zum späten Nachmittag hin war es auch amtlich: Platz 7 mit einem Mannschaftspunkt und drei Brettpunkten vor dem Abstiegsplatz. So war das tatsächlich vor Saisonbeginn nicht geplant gewesen. Manchmal kommen die Dinge leider anders als erwartet.
Dennoch möchte ich diese letzte Chance nochmal nutzen und mich bei allen Mannschaftskollegen und Vereinsmitgliedern für das gegebene Vertrauen bedanken, mich trotz des Chaos als Mannschaftsleiter gehalten und geduldet zu haben. Vielen Dank!
Atila Gajo Figura