Rhythmusstörungen um Mitternacht! Oder „Zugzwängliche Erfolgsaussichten!?“

Schachspieler

Sonderbericht FM J. Brustkern zur 2. Mannschaft ...

Prolog:

Nach einem völlig verunglückten Saisonstart – 1 : 5 Mannschaftspunkte = MP - gewannen wir im letzten Spiel des Jahres 2019 im „4 Punkte-Spiel“ gegen Pankow relativ souverän mit 5 : 3 und entfernten uns somit ein wenig vom Tabellenkeller. Im ersten Spiel des Jahres empfingen wir quasi unseren “Tabellennachbarn“ Zugzwang (= ZZ), die nach einem Startsieg eine lange Rochade hingelegt hatten. Da ich zwei Jahre für den Prenzelberger Verein spielte (2015-16), sind mir die Vereinsstrukturen gut vertraut. Zwar freute ich mich für die vielen befreundeten Mitglieder, dass es ihr Spitzenteam erstmalig geschafft hatte, in die höchste Berliner Liga aufzusteigen, aber diesen Erfolg haben sie vor allem den starken Neuzugängen, Ali Polatel  und Adis Artukovic, zu verdanken. Aus Erfahrung weiß ich, dass die Spielerdecke im hinteren Mannschaftsteil traditionell ziemlich dünn ist, so dass unser Mannschaftsleiter Atila die entsprechende Strategie vorgab, möglichst “hinten zu punkten“.

Wettkampfverlauf:

Da das Hans Rosenthal Haus an diesem Sonntag besetzt war, spielten wir zum ersten Mal in einen großen Seminarsaal der FU neben der „Rostlaube“. Als ich mit Jochen Behrmann , der sich dankenswerterweise wieder für die zweite Mannschaft zu Verfügung stellte, zehn Minuten vor Spielbeginn ankam, war schon alles fein säuberlich aufgebaut. Auf diesem Weg ein großes Dankeschön an den Zehlendorfer Helfer, der für acht(!) Mannschaften  Spielmaterial samt Uhren etc. nach Dahlem und zurück transportiert hat.

Erwartungsgemäß trat ZZ mit einer ersatzgeschwächten Truppe an, und wir führten nach einer halben Stunde schon mit 1-0 durch Darko Balov, da sein Gegner Arno Kirchhoff kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte. Nach knapp 1,5 Stunden nahm ich aufgrund meiner gesundheitliche Verfassung das nicht regelkonforme, weil in meiner Bedenkzeit, ausgesprochene Remisangebot des Schnellschachspezialisten Adis Artukovic an.

 Für Regelfreunde:

Lt. FIDE-Beschluß von 1.7.2017 muss ein Remisangebot vor dem Drücken der eigene Uhr und mit gleichzeitiger Kennzeichung auf dem Formular (z. B. =) ausgesprochen werden, sonst ist es nicht gültig!

Obwohl wir quasi an jedem Brett bis zu 200 DWZ im „Vorteil“ waren, sah es nach ca. zwei Stunden Spielzeit nicht unbedingt nach einem „Kantersieg“ aus: Atila hatte mit Schwarz gegen den talentierten “Eröffnungstheorieverweigerer“ FM Ulli Schwekendiek schnell eine überlegene Stellung herausgespielt („Monsterspringer auf d4+b4 Weißer Lb1“), Woddy Klimm stand ebenfalls mit besserer Bauernstruktur (BS) und gutem Läufer gegen einen schlechten Springer Polatels sehr aussichtsreich, und an Brett 8 packte unser neugekürter „Candidate Master“ (CM) Jochen Behrmann die alte Liebe seines Mentors Dr. Freerk Bulthaupt aus  und bekämpfte Königsindisch mit dem Vierbauernsystem. Dafür stand jedoch Thomas Heerde mit Schwarz Ausgangs der Eröffnung gegen die Berliner U 16-Meisterin Aminia Fock sehr verdächtig und musste z. B. die schwarze Majestät von f7 nach g6 evakuieren. Erwin wegen eines Fehlers unseres 1. Vorsitzenden schlecht geschlafen und machte einen ziemlich fahrigen Eindruck. Er stellte mit Weiß in seinem geliebten Colle-System gegen den mit 0 aus 4 gestarteten Ricardo Arvalo schon in der Eröffnung einen Bauern ein und verbrauchte dazu noch Unmengen an Zeit. Unser Haudegen FM Peter Rahls opferte in einem scharfen Skandinavier mit Weiß seinen Zentrumsbauern d5 und erhielt im Gegenzug m. E. nur vage Kompensation. Nach drei Stunden nahm der Kampf einen für uns positiven Verlauf. Der Trendwende zum Mannschaftserfolg brachte die für X-Berg in der Jugendbundesliga spielende 16 Jährige Fock, die in der frühen Phase der Eröffnung eine gute Chance verpasste. Statt dann ihren Entwicklungsvorteil langsam auszubauen, versuchte meine ehemalige Schülerin den „vogelfreien“ Monarchen mit der Brechstange zur Strecke zu bringen, was sich später als Bumerang herausstellte:

1)      A. Fock – T. Heerde (siehe Partie unten)

Zu diesem wichtigen Sieg gesellte sich dann ein souveräner Gewinn von Jochen, der mit „Daddy“, dem Freibauern auf d6 zuerst die Qualität eroberte, und später in ein gewonnenes Endspiel mit Mehrfigur abwickelte. Erwin wehrte sich nach der missratenen Eröffnung so gut er konnte, aber der Gegner gewann noch einen zweiten Bauern und verwertete seinen Materialvorteil in Webers Zeitnot sicher.

Somit stand es 3,5 : 1,5, aber schon kurz nach der Zeitkontrolle stellte zu meiner großen Freude unser „FM in Spe“ Wolf Dietrich Klimm mit einem technisch sauber herausgespielten Gewinn das 4,5  zum Mannschaftsieg her! Atila konnte dann trotz eines Qualitätsvorteils nur Remis spielen, wonach 5 Brettpunkte für uns zu Buche standen. Ende gut alles gut? Anhand der Partie von Peter möchte ich jedoch auf das - kommunikative -Verbesserungspotential hinweisen, das nur im Mannschaftsschach funktionieren kann. Im Vorfeld war klar, dass der in dieser Saison unglücklich agierende Mannschafts-Senior, höchstwahrscheinlich gegen den Mannschaftsleiter Rene Schildt anzutreten hatte. Die Leib- und Magenvariante - Dd6 Skandinavier - des Berliner Jugendtrainers ist mir aus vielen leidvollen Erfahrungen mit Schwarz sehr gut bekannt. Von daher hätte ich Peter im Vorfeld gute Tipps bei der Vorbereitung geben können. Aber leider ging seine improvisierte Eröffnungsbehandlung (Le2 statt des logischen Lg2) folgendermaßen in die Hose:

SK Zehlendorf 2

SC Zugzwang 95

5 :3

1

3    IM

Atila Gajo Figura

2349

1 FM

Ulrich Schwekendiek

2248

½:½

2

5

Wolf-Dietrich Klimm

2189

3

Ali Polatel

2225

1:0

3

7   FM

Jürgen Brustkern

2170

4

Adis Artukovic

2077

½:½

4

8   FM

Peter Rahls

2140

6

Rene Schildt

2083

0:1

5

10

Darko Balov

2096

7

Arno Kirchhof

1950

+:-

6

302

Erwin Weber

1980

8

Ricardo Arevalo

1926

0:1

7

305

Thomas Heerde

1947

10

Amina Fock

1773

1:0

8

308 CM

Joachim Behrmann

2102

210

Detlef Just

1762

1:0

Fazit:

Bei „Saisonhalbzeit“ stehen wir mit einem ausgeglichenen Punktverhältnis genau im Mittelfeld der Tabelle und haben nun nichts mehr mit dem Abstieg zu tun. Um jedoch mal um den Berliner Meistertitel mitzuspielen, muss sich m. E. die Kommunikation innerhalb des Teams stark verbessern. Zum Beispiel gab es seit meinem diesbezüglichen Appell (s. a. meine Berichte im Vorjahr) im letzten Jahr gerade Mal eine Mannschaftssitzung (September 2019), auf der jedoch nur über die Aufstellung gesprochen wurde. Die konkrete Vorbereitung auf die Gegner wäre eine gute Gelegenheit sich im Klub zu treffen, um Eröffnungsprobleme zu diskutieren bzw. mit Hilfe von Atilas fachlich zu strukturieren. Diesen Austausch von Wissen könnte man auch hervorragend über Mail organisieren. Aber ich befürchte jedoch, dass mein Aufruf wie häufig ungehört bleibt und in Zukunft jeder sein Chessbase-“Süppchen“
- wenn überhaupt vorhanden - selber kochen wird.

FM Brustkern